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Sven Plöger gehört zu den bekanntesten Wetterfröschen Deutschlands. Doch er präsentiert das Wetter nicht nur, er klärt auch über den Klimawandel auf. Im Interview zeigt der Alumnus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät Denkfehler in der deutschen Klimapolitik auf und erklärt, warum er sich trotzdem nicht auf Straßen festklebt.

Das Gespräch führte Eva Schissler (Unimagazin Ausgabe 4-2022)

Herr Plöger, stimmt es, dass Ihre Klassenkammeraden Ihnen bereits in der 7. Klasse vorhergesagt haben, dass Sie mal Wettermoderator werden?

Ja, das stimmt. Ich hatte schon früh großes Interesse am Wetter und habe allen erzählt, wie es am Himmel so zugeht – auch denen, die es gar nicht wissen wollten. Manche fanden mich sicherlich ein bisschen speziell (schmunzelt), aber die meisten fanden es einfach spannend. Ich konnte das Wetter anscheinend so erklären, dass ich auch bei Anderen ein Interesse geweckt habe. Deswegen sagten meine Mitschüler schon damals: »Du wirst bestimmt mal Wetterfrosch im Fernsehen.« Für sie war ein »Meteorologe« halt der, der bei den Nachrichten das Wetter macht.

Es gibt natürlich auch andere Bereiche der Meteorologie. Haben Sie nach Ihrem Studium in Köln auch überlegt, in die Forschung zu gehen?

Eigentlich wollte ich Wettervorhersagen für Piloten machen. Als Student habe ich am Flughafen Köln/Bonn ein Praktikum in dem Bereich absolviert. Nach dem Vordiplom war ich dann in einer Arbeitsgruppe für Tropenmeteorologie. Außerdem habe ich mich mit der Physik der Atmosphäre und mit Polarforschung beschäftigt. Nach dem Studium hatte ich tatsächlich das Angebot, zu promovieren. Dabei hätte ich an der Kernforschungsanlage Jülich – dem Vorläufer des Forschungszentrums Jülich – Ausbreitungsrechnungen zu Radioaktivität bei einer atomaren Katastrophe gemacht. In einem solchen Fall hängt der Evakuierungsplan von der Windrichtung ab. Aber dann habe ich mich bei der Wetteransage in der Schweiz beworben und den Job bekommen, sodass ich doch nicht in die Forschung gegangen bin – sie aber bis heute intensiv begleite.

Früher war ziemlich klar, was »schönes Wetter« ist: sonnig und warm. Sehen Sie das heute auch noch so?

Unser Verhältnis zum Wetter hat sich in letzter Zeit gewandelt. Hitze und Dürre durch den Klimawandel führen uns deutlich vor Augen, wie wichtig Regenwetter ist. Und damit ist es eben genau kein schlechtes Wetter! Moderatorinnen und Moderatoren taten sich lange schwer mit der Umstellung. Weil ich mich seit über zwanzig Jahren intensiv mit dem Klimawandel beschäftige, habe ich aber in jeder Wettersendung, wo ich nach »schön gleich Sonne« oder »schlecht gleich Regen« gefragt wurde, einen ausführlichen »Vortrag« gehalten. Heute traut sich deshalb niemand mehr, mich auf das früher landläufige »schöne Wetter« anzusprechen (lacht).

Wenn wir immer nur Sonne gut finden, müssten wir in der Sahara leben. Wüstenfans sehen dort sicherlich spannende Lebensformen, aber für unser Dasein ist eine grüne Pflanze auch ganz schön. Und natürlich benötigen unsere Pflanzen Wasser. Überhaupt brauchen wir im Umgang mit Wasser einen Paradigmenwechsel. Früher hieß es in den Städten und Gemeinden oft: Das Wasser muss weg. Heute soll das Wasser dort gehalten werden – beispielsweise dadurch, dass Regenwasser nicht mehr ins Abwasser geleitet wird, sondern vor Ort versickert.

Dass wir das Wassermanagement verbessern und die Energiewende beschleunigen müssen, ist eigentlich lange bekannt. Machen wir genug?

Es gibt die politischen Entscheidungen und es gibt das Verhalten jedes Einzelnen. Das bedingt sich gegenseitig. Wenn die politischen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, macht der Einzelne auch wenig oder nichts. Auf allen Ebenen finden wir dann Ausreden. Nach dem Motto: »China macht nicht genug gegen den Klimawandel, dann lohnt es sich ja nicht, uns hier ein Bein auszureißen.«

Oder unser Umgang mit dem Energieträger Gas. Brückentechnologie ist für mich ein gefährliches Wort. Damit kann man das Gegenteil von dem tun, was man vorgibt. Seit zig Jahren spricht die Politik zu Recht von der Bedeutung der Erneuerbaren. Aber gleichzeitig wurde vor dem schrecklichen Krieg gegen die Ukraine Nord Stream 2 als wesentlicher Pfeiler unserer Energieversorgung gebaut – ein teures technisches Bauwerk, dessen Bau Jahre gedauert hat und das man daher sicher nicht nur für ein paar Wochen verwenden wollte. Meine Frage war immer: Wie lang, also zeitlich gesehen, soll diese Brücke denn sein? Vermeintlich billiges russisches Gas, das sich nun als teurer Irrweg erweist, hat uns alle Risiken ausblenden lassen. Wir müssen konstatieren: A sagen, B machen und am Ende über die Situation staunen, in der man steckt, ist kein sinnvoller Weg.

Ist der Krieg in der Ukraine wenigstens ein Weckruf, dass wir vom Gas weg müssen?

Es wird sich zeigen – die Chance des Weckrufes wäre gegeben. Aber nur dann, wenn man nun wirklich den Erneuerbaren mit guter finanzieller Ausstattung den Vorrang gibt und nicht dadurch, dass hauptsächlich über Fracking-Gas oder Atomkraft gesprochen wird. Es ist unvernünftig, die gleichen Fehler wieder und wieder zu machen. Ich bin Segelflieger und ich weiß, wie wichtig ein guter Landeanflug für die Landung ist, ansonsten riskiert man eine Bruchlandung. Übertragen auf den Umgang mit der so dringend nötigen Energiewende hat unsere Politik 15 Jahre lang den Landeanflug vergeigt und trotz Beteuerungen keine Vorbereitungen getroffen. Jetzt kommt das Staunen. Der Pilot sitzt da mit dem Knüppel in der Hand und versucht noch aufzusetzen, also für den Winter alles irgendwie zu richten.

Was muss am dringendsten passieren, damit wir das Klima besser schützen, es uns aber wirtschaftlich nicht schlechter geht?

Lange wurde uns diese Wattevariante verkauft, wir könnten Klimaschutz durch eine grundsätzliche globale Transformation schaffen – ohne Kosten und ohne, dass sich für uns alle etwas verändert. Das ist Blödsinn und kann nicht funktionieren. Wir werden hohe Kosten haben. Aber wir wissen auch, dass es noch teurer wird, wenn wir nichts tun und das Thema ignorieren. Es gibt viele Studien, die schätzen, dass jeder Euro, der nicht klug in den Klimawandel investiert wird, mit 2 bis 11 Euro zurückgezahlt werden muss – von den nächsten Generationen. Diese Wohlstandsängste, die Veränderungen bremsen oder verhindern, machen alles nur noch schwieriger.

Was können wir konkret machen?

Erstens: Wir brauchen eine auf dem sozialen und ökologischen Auge ertüchtigte Marktwirtschaft, in der derjenige, der die Umwelt verschmutzt, nicht reicher werden darf als derjenige, der sie sauber hält. Könnten wir dieses einfache Prinzip international abstimmen und umsetzen, hätten wir viele Probleme gelöst. Das heißt aber nicht, dass der oder die Einzelne sich zurücklehnen und abwarten kann, bis die Politik die nötigen Vorgaben macht. Zweitens gibt es für mich einen systemischen Fehler bei den UN-Klimakonferenzen: Abschluss-Communiqués müssen einstimmig verabschiedet werden. Deshalb bestimmt natürlich der Bremser. Am Ende erleben wir immer wieder, dass ein ganz schwacher Kompromiss als Durchbruch dargestellt wird. Echter Fortschritt sieht anders aus.

Was kann ein Land wie Deutschland im internationalen Kontext erreichen?

Ich höre oft Sätze wie: »Wir als Deutsche können doch nicht die Welt retten.« Aber Deutschland kann einen erheblichen Beitrag leisten. China, die USA und Indien produzieren zusammen mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen. Deutschland produziert zwar »nur« zwei Prozent, belegt damit unter 194 Ländern aber Platz sechs. Sprich, 188 Länder liegen hinter uns! Wenn wir also sagen, unsere Emissionen sind im Vergleich gering, dann können das die Länder hinter uns erst recht sagen. Zusammen emittieren wir aber immerhin fast 50 Prozent. Sich hinzustellen und die Verantwortung abzuschieben, wirkt inhaltlich schlicht wie ein Schildbürgerstreich. So gesehen sind unsere zwei Prozent und die Bemühungen zur Reduktion entscheidend. Ich komme nicht darüber hinweg, dass dieses langweilige und unsinnige Argument immer wieder hervorgeholt wird.

Viele junge Leute protestieren heute lautstark gegen den Klimawandel. Sie kleben sich etwa an Autobahnen oder Kunstwerken fest. Finden Sie das gut?

Ich verstehe, dass man wirklich frustriert sein kann angesichts der Langsamkeit des Handelns. Aber bei den radikaleren Formen des Klimaprotests bleibt für mich die Frage: Wie stehen wir zu unserer Demokratie? Wenn ihre Einrichtungen für uns wichtig sind und wir sie verteidigen wollen, dann müssen wir eben jene Institutionen nutzen, um Dinge zu verändern. Das heißt, Bewegungen wie »Fridays for Future« müssen den Weg durch die Institutionen antreten. Das ist sicherlich nicht immer einfach, denn in einer Gesellschaft sind nun mal die verschiedensten Ansichten im Wettstreit. Aber man muss um Mehrheiten ringen, wenn das System der Demokratie funktionieren soll. Und natürlich füllen verschiedene Menschen auch verschiedene Rollen aus: Wenn etwa ich mich persönlich an eine Autobahnbrücke kette, werde ich vermutlich wenig erreichen. Wenn ich aber vor einem vollen Saal einen Vortrag halte und über den Klimawandel aufkläre, habe ich einen sinnvolleren Beitrag geleistet. Dann können die Leute selbst ihre Konsequenzen ziehen. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie sie oder er am effektivsten auf das Thema aufmerksam machen kann.

Zur Person

Sven Plöger präsentiert seit 1999 Hörfunk- und Fernsehwetterberichte und ist Zuschauer:innen unter anderem aus dem »Wetter im Ersten« vor der Tagesschau und in den Tagesthemen bekannt. Seit vielen Jahren beteiligt sich der Diplom-Meteorologe und Autor intensiv an den Diskussionen zum Klimawandel. Seit 2015 moderiert er Dokumentarfilme für die ARD und den SWR.

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