»Kultur wird mit Hygienekonzepten werben müssen«
Barbara Foerster leitet das Kulturamt der Stadt Köln, die zentrale städtische Behörde zur Förderung von künstlerischen Projekten und zur Beratung professioneller Künstlerinnen und Künstler. Im Interview erzählt die Alumna der Philosophischen Fakultät, was wir alle zum Erhalt der städtischen Kulturszene beitragen können. Und auf welche Highlights sie sich nach der Pandemie besonders freut.
Das Gespräch führte Eva Schissler
Frau Foerster, wie hat sich Ihre Arbeit im vergangenen Jahr verändert?
Wir müssen in der Pandemie ständig umplanen, wie viele andere auch: in unseren internen Arbeitsprozessen im Kulturamt, aber auch in der Kulturförderung. Wir konnten der Szene zwar einige neue Fördermöglichkeiten eröffnen, dafür war aber viel juristische Feinarbeit nötig. Ich habe mich juristisch noch nie so viel beraten lassen wie im vergangenen Jahr. Natürlich wollen wir für Rechtssicherheit sorgen, aber so, dass es für Kulturschaffende auch zielführend ist. Das juristische sollte den Hintergrund bilden, anstatt im Fokus zu stehen.
Vor allem die Veranstalterszene – von Theatern und Clubs bis zu Museen und freien Ausstellungsräumen – hatte sehr viel Arbeit und Einschränkungen. Aber die Kulturszene ist ja an sich sehr kreativ und konnte daher mit der Situation auch kreativ umgehen. Wir lernen im Moment alle dazu. Vielleicht werden im Ergebnis gewisse Standardregeln im Umgang mit einer Pandemie erarbeitet, die in der Kultur mehr kreativen Spielraum zulassen. Das wäre nach dem langen Verlust an kulturellen Begegnungen und an Einkommen für die Kulturschaffenden dann sogar ein Mehrwert.
Bereitet ein kunsthistorisches Studium auf derartige Aufgaben vor?
Um die Aufgaben zu meistern, mit denen ich mich jetzt befasse, reicht das reine kunsthistorische Wissen natürlich lange nicht aus. Deshalb würde ich heutigen Studierenden in den künstlerischen und geisteswissenschaftlichen Fächern auch raten, schon früh in andere Disziplinen reinzuschnuppern. Gerade für Berufe im Kunst- und Kulturbereich sollte man ruhig auch juristische oder betriebswissenschaftliche Vorlesungen besucht haben. Das sind Themenbereiche, mit denen sich jeder Kunsthistoriker in irgendeiner Form später auskennen muss. Kuratorinnen müssen zum Beispiel auch das Budget mit im Blick haben und Verträge lesen und aufsetzen können. Wenn man im Museum arbeitet, muss man juristische Aspekte der Provenienzforschung verstehen. Kultur ist kein Elfenbeinturm, wenn man nachher in den Beruf geht. Auch die Sozialwissenschaften werden immer relevanter, denn die Kunst und ihre Präsentationsformen werden immer gesellschaftsorientierter.
Daher macht es auch Sinn, so schnell wie möglich Praktika zu machen, ruhig überall reinzuschnuppern. Am besten erfährt man, was man selbst gut kann – darum geht es ja auch bei der Berufswahl –, wenn man es macht.
Was für Berufspläne hatten Sie während Ihres Studiums?
Ich habe gar nicht mit einem festen Berufsbild angefangen zu studieren. Ich habe erst in Münster studiert, war zwischendurch zum Studium im Ausland, in Rom und Perugia, und bin dann zum Master in Kunstgeschichte nach Köln gekommen. Die Wahl fiel unter anderem auf Köln, weil man hier sehr viel zeitgenössische Kunst sehen und erleben kann. Das betrifft einerseits die Uni, andererseits die Stadt. Hier gibt es viele Orte für zeitgenössische Kunst: Ausstellungsräume, Museen, Galerien. Das hatte mir in Münster und auch in Italien damals gefehlt. In Italien lag der Fokus in den 1990er Jahren stark auf dem Mittelalter beziehungsweise der eigenen Kunstgeschichte.
Kunst war in meinem Leben schon immer sehr präsent, denn meine Mutter war bildende Künstlerin. Ich war schon als Kind extrem gerne in Kunstmuseen oder auf Biennalen. So war mir früh klar, dass ich Kunst oder Kunstgeschichte studieren möchte. Aber ich konnte mir viele verschiedene Berufsfelder vorstellen, zum Beispiel ins Museum zu gehen oder in einem Verlag zu arbeiten. Ich habe auch eine Zeitlang als Journalistin und Kunstkritikerin gearbeitet.
Nachher bin ich in die Kunst- und Kulturförderung gewechselt, weil ich erlebt habe, dass die klassischen Berufsfelder, auch der Journalismus, eine sehr starke »Meta-Sicht« auf Kunst einnehmen, also eine große Distanz zur Kunst. Man ist immer diejenige, die betrachtet, auswählt, bewertet, diskutiert. Das war für mich zu wenig Gestaltung. Beim Kulturamt genieße ich, dass ich Sachen auf den Weg bringen, konzipieren und anstoßen kann.
Kunst und Kultur müssen sich in Köln auch unter »normalen« Bedingungen schon viele Räume erkämpfen. Wird die städtische Kulturszene die Pandemie überstehen?
Die Rolle von Kultur in der Stadtgesellschaft beschäftigt mich in meinem Arbeitsalltag tatsächlich sehr. Wie es »nach« der Pandemie aussehen wird, ist im Moment noch schwer abzuschätzen. Ich glaube, dass es weniger Schwierigkeiten auf der Angebotsseite geben wird. Kunst- und Kulturschaffende sind kreative Anpassungsexperten – das haben sie besonders im vergangenen Jahr gezeigt. Die Frage ist, was macht das Publikum? Ich mache mir Sorgen, dass das Publikum gar nicht mehr so richtig zurück will; dass die Vorbehalte überwiegen und manche Formate gar nicht mehr so stark nachgefragt werden.
Die Kunst kann sich gut anpassen und entwickelt sicherlich weiter Hybridformate, die teils digitales, teils analoges miteinander verbinden. Aber es wird in Zukunft für die Anbieter mehr Arbeit sein, das Zielpublikum anzusprechen und »anzulocken«. Wahrscheinlich wird die Kultur sogar mit Hygienekonzepten werben müssen. Nach dem Motto: »Wir sind das sicherste Theater in Köln.« Da werden ganz neue Marketingthemen entstehen.
Wie können Bürgerinnen und Bürger in Köln die Kunst und Kultur unterstützen?
Es gibt viele Initiativen und Ehrenamtliche, die sich für die Kultur einsetzen. Zurzeit sammelt zum Beispiel auch der Kölner Karneval, das Festkomitee Kölner Karneval, Spenden für Künstlerinnen und Künstler. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Kölner Kulturrat, der Fördervereine verschiedener Kulturinstitutionen vereint. Der Kulturrat hat mit dem freien Kulturverein »Niehler Freiheit« den »Kulturgenerator« ins Leben gerufen. Das ist eine Homepage, deren Programmierung das Kulturamt gefördert hat. Hier können Künstler und Künstlerinnen ihre Produkte für ein Honorar anbieten. Darüber wurde schon sehr viel Geld eingesammelt und weitergegeben.
Solche Sachen sind jetzt gut umzusetzen: Man braucht keinen Kontakt, alles läuft digital. Am Ende unterstützen Bürgerinnen und Bürger Kunst und Kultur aber am meisten, wenn sie sie besuchen, ihre Werke oder Tickets für Veranstaltungen kaufen.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn wieder mehr Kultur stattfinden kann?
Ich freue mich auf Ausstellungsbesuche, auf eine Galerientour, auf Theater- und Tanzaufführungen. Worauf ich mich aber von Herzen besonders freue, sind Popkonzerte. Ich bin leidenschaftliche Konzertbesucherin. Das Live-Erlebnis im Club ist einfach etwas, das man nicht ersetzen kann.
Ich mache mir gerade große Sorgen um die Clubkultur und ihre Konzerte. Ich befürchte, dass es noch sehr lange dauern wird, bis das wieder möglich sein wird. Dieses enge, rauschhafte Erleben im Publikum bildet für mich mit der Musik auf der Bühne eine Einheit. Ich befürchte, dass die Coronaschutzverordnung das so schnell nicht wieder zulässt. Ich würde nach dem Lockdown sofort wieder in ein Konzert gehen, frage mich aber, ob sich auch viele andere Menschen dabei wieder sicher fühlen.
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