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KölnAlumni Stories: Larissa Fuchs

»Algorithmen spiegeln Ungleichheiten und Benachteiligungen wider«

Die Volkswirtin Larissa Fuchs hat in Frankfurt und Bonn studiert und promoviert heute an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät über faires Recruiting. Ihr Ziel: Mehr Chancengleichheit in Wirtschaftsberufen – mithilfe künstlicher Intelligenz.

Das Gespräch führte Jan Voelkel (Unimagazin Ausgabe 1-2022)

Frau Fuchs, mit Ihrer Forschung zu Einstellungsverfahren bewegen Sie sich an der Schnittstelle zwischen Rationalität und menschlicher Subjektivität. Ist das untypisch in den eher rationalen Wirtschaftswissenschaften?

Für mich macht das gerade den Reiz aus. Oft denken Leute, wenn man in VWL promoviert, geht es nur um Mathematik, Zahlen und Statistiken. Bei richtig guter Forschung kann man aber auch seine persönlichen Erfahrungen einbringen – und vielleicht einen untypischen Blickwinkel einnehmen. Forschung sollte auch mit gesellschaftlich relevanten Themen verbunden sein. Ich lasse Dinge einfließen, die mir persönlich am Herzen liegen und die ich vorantreiben will.

Wann wurde ihnen bewusst, dass Sie gern Wissenschaftlerin sein möchten?

Ich hatte während meines Studiums schon viele Forschungsstellen. Dann war ich ein Jahr lang Beraterin und habe gemerkt, dass mir das Wissenschaftliche fehlt. Ich arbeite gern empirisch und widme mich in der Forschung ja den Dingen, die mich interessieren. Mir macht die Wissenschaft so viel Spaß, dass ich mir eigentlich nichts Anderes vorstellen kann. Das wünsche ich mir für immer.

Zuletzt haben Sie im Projekt »Fair Artificial Intelligence Recruiting« (FAIR) an der Uni Köln gearbeitet. Das Forschungsprojekt hat das Ziel, den Arbeitsmarkt diskriminierungsfreier zu machen. Wie kann das gelingen?

Wir möchten bei Einstellungsverfahren, die zunächst mithilfe von künstlicher Intelligenz eine Vorauswahl treffen, den ersten Schritt verbessern, also das CV-Screening. Hier werden talentierte Kandidat:innen oft vorzeitig aussortiert. Wir haben im Projekt einen Algorithmus entwickelt, der aus Lebensläufen mehr Information herauszieht, um so die Kandidat:innen zielgerichteter auf das Tätigkeitsprofil abzupassen. Um Diskriminierung entgegenzuwirken, haben wir zudem den FAIR-Index entwickelt. Der schlägt an, wenn der Algorithmus im Auswahlprozess eine diskriminierende Entscheidung trifft. Der Vorgang ist auch auf menschliche Anwendungen, also Entscheidungen von Personaler:innen, übertragbar.

Ein Algorithmus handelt doch rational. Wieso muss er eigentlich überprüft werden?

Auch Algorithmen können diskriminierende Entscheidungen treffen. Etwa, wenn sie von Menschen programmiert werden, die diskriminierend handeln – ob bewusst oder unbewusst. Ein Mensch bringt ja seine subjektiven Wahrnehmungen und Vorstellungen in den Algorithmus ein. Das nennt man dann »biased programmers«.  Auch werden Algorithmen mit Daten aus der Arbeitswelt gefüttert, etwa  zu Gehalt oder Beförderung, die diskriminierend sein können. Denn sie spiegeln Ungleichheiten und Benachteiligungen wider, die historisch gewachsen sind und die es in der Welt nun einmal gibt: Männer werden im Schnitt schneller befördert während Frauen aus verschiedensten Gründen länger auf der Karriereleiter brauchen. Das kann zu einem problematischen oder verzerrten Datensatz führen.

Ist Künstliche Intelligenz, wenn man sie richtig anwendet, in Zukunft also der bessere Personaler?

Beim Recruiting ist es nie eine Entweder-Oder-Entscheidung zwischen Mensch und Künstlicher Intelligenz. Ein Zusammenspiel funktioniert gut, um das Beste aus beiden Welten zu kombinieren. Natürlich hat auch der Job eines Personalers oder einer Personalerin weiterhin seine Daseinsberechtigung. Allerdings muss man als Personaler:in so fair sein zu sagen, dass der Nasenfaktor oft unbewusst eine Rolle spielt. Es muss ja keine böse Absicht dahinter stecken, aber so ticken wir Menschen. Da kann man die Vorteile einer Künstlichen Intelligenz nutzen, die bei richtiger Programmierung rational unterstützen kann.

Sind sie ein besonders gerechtigkeitsbewusster Mensch?

Ja, das ist mir schon sehr wichtig. Da ich selbst Erfahrungen gemacht habe, die diskriminierend waren, bin ich motiviert Plattformen zu schaffen, die dem entgegenwirken. Deswegen würde ich mich schon als gerechtigkeitsbewusst beschreiben. Allerdings ist ja niemand perfekt. Auch mir unterlaufen natürlich Fehler, denn ich kann selbst nur aus meiner eigenen Perspektive handeln.

Mit den Themen Gerechtigkeit und Diskriminierung befassen sie sich auch in dem Forum »Women in Economics«. Was hat es damit auf sich?

Das ist ein gemeinnütziger Verein für mehr Gleichstellung im Wirtschaftsbereich, den ich 2019 in Berlin zusammen mit sechs weiteren Mitgliedern gegründet habe. Wir setzen uns dafür ein, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offenstehen – im akademischen, privaten und öffentlichen Sektor. Wir erheben zum Beispiel jedes Jahr den »WiE-Index«, in dem wir die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen über die Sektoren hinweg auswerten. So können wir auf Basis von Daten und Fakten die gesellschaftliche Diskussion weiterführen. Zudem organisieren wir Events, verschicken einen Newsletter und bieten für unsere Mitglieder Workshops, Mentoring-Programme und einiges mehr an. Das Ganze ist kostenfrei und jeder ist herzlich eingeladen mitzumachen.

Apropos Frauen in Führungspositionen. Ein emotionales und kontroverses Thema ist die Frauenquote – etwa für DAX-Konzerne. Ist dies aus Ihrer Erfahrung ein geeignetes Mittel, um Diskriminierung und Benachteiligung abzubauen?

Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich viel durch Freiwilligkeit bewegt. Eine Quote hat immer Vor- und Nachteile. Aus meiner Sicht überwiegen an dieser Stelle die Vorteile, denn es gibt große »Spill-Over«-Effekte – Veränderungen, von denen auch andere Frauen etwas haben. Es geht etwa darum, Vorbildfunktionen einzunehmen und zu zeigen, was für Frauen möglich ist. Eine Quote kann das verstärken. Deswegen bin ich Befürworterin. Das bedeutet natürlich nicht, dass es einzig darum geht, dass eine Position aus Prinzip von einer Frau besetzt wird.

Das ist ein häufig geäußerter Kritikpunkt, der die Qualifikation der Stelleninhaberin, der »Quotenfrau«, infrage stellt. Sehen Sie hier ein Problem?

Sieht man sich die Dynamiken der Diskriminierung an, sind die Frauen, die es in männerdominierten Berufen nach oben geschafft haben, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen überdurchschnittlich gut qualifiziert. Sie mussten oft schon sehr viel mehr Hürden meistern, bevor sie in die jeweilige Position kamen. Deswegen gilt für mich das Argument einer »Quotenfrau« eigentlich nicht.

Ein häufig vorgetragenes Argument für die vorherrschende Beförderungspraxis ist, dass Frauen oft in Zeitpunkten, die für die Karriere wichtig sind, aus dem Beruf aussteigen, etwa wegen Elternzeiten oder Mutterschutz.

Wenn es nur um wenige Monate im Lebenslauf gehen würde, könnte sich dies ja im Laufe einer langen Karriere wieder angleichen. Tut es aber nicht. Es geht nicht nur um den Mutterschutz und die Elternzeit. Oft üben Frauen auch im Anschluss ihren Beruf nur in Teilzeit aus. Das ist eine Zeit in der man Skills – so genanntes Humankapital – aufbaut und Netzwerke knüpft. Das führt sich dann langfristig fort und spielt bei Beförderungen eine große Rolle, vor allem in dem Alterszeitraum von 30 bis 38.

Man spürt in männerdominierten Branchen, dass bevorzugt Männer befördert werden. In manchen Unternehmen spielt dann auch noch die Überlegung eine Rolle, ob die Frau vielleicht noch ein zweites oder drittes Kind bekommt und noch einmal weg ist. Das ist aus Unternehmenssicht schon ein Risikofaktor in der Planung. Dann greift man vielleicht doch eher zum Mann, der konstant präsent ist, das Unternehmen kennt und entsprechende Netzwerke hat. Da muss sich schon noch viel an den Strukturen der Arbeitswelt ändern: Männer brauchen mehr Anreize, auch Elternzeiten in Anspruch zu nehmen und Frauen brauchen die Möglichkeit, gleichberechtigt in den Beruf zurückzukehren und nicht auf den berüchtigten »mommy track« abgeschoben zu werden.

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DAS GESAMTE UNIMAGAZIN ZUM DOWNLOAD ALS PDF-DATEI.
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