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Foto: Boris Breuer
FÜNF ELEMENTE EINER ERFOLGREICHEN WISSENSKOMMUNIKATION

„Gleich kommt etwas wirklich Spannendes!“

VON DR. JACOB BEAUTEMPS

Wir leben in einer Wissensgesellschaft, in der Wissen über Technologie, Innovation, Gesellschaft, Entwicklung und Geschichte das höchste Gut darstellt. Doch Wissen ist wertlos, wenn es nicht geteilt werden kann. Hier liegt die Herausforderung: Während unserer Ausbildung konzentrieren wir uns primär auf den Erwerb von Wissen, vernachlässigen jedoch die Entwicklung von Fähigkeiten zur Wissensweitergabe. Dabei ist es gerade die Weitergabe von Wissen, die Fortschritt und Innovation vorantreibt.

Bei der Recherche für mein neues Buch habe ich mich mit Innovatorinnen und Innovatoren beschäftigt. Über die letzten Jahre habe ich wahrscheinlich über 100 von ihnen getroffen, darunter bekannte Menschen wie Bill Gates oder Nobelpreisträger Benjamin List, aber auch viele unbekannte kluge Köpfe, die große Innovationen anschieben. Etwas, was mir alle bestätigt haben, die ich gefragt habe: Die Kommunikation ihrer Ideen und Visionen ist eine ihrer ganz großen Herausforderungen. Und auch, wenn man keine Innovation groß machen möchte, sondern einfach nur eine Präsentation auf der Arbeit hält, ein neues Paper vorstellt oder sogar eine E-Mail schreibt, braucht es diese Kommunikation.
Dieser Beitrag stellt deshalb fünf einfache, aber wirkungsvolle Regeln vor, die Ihnen helfen, Informationen erfolgreich zu kommunizieren. Denn das ist vielleicht sogar der wichtigste Skill des 21. Jahrhunderts.

Der Aufhänger: Das Interesse wecken

Der Aufhänger ist das A und O jeder Kommunikation. Er ist der Köder, der das Publikum fesselt und ihm verdeutlicht, warum es sich lohnt, zuzuhören. Ein guter Aufhänger ist wie ein Versprechen: „Gleich kommt etwas wirklich Spannendes!“

Okay, das ist leicht gesagt, aber wie findet man einen passenden Aufhänger? Erst mal die schlechte Nachricht vorweg, das ist gar nicht so leicht und kostet einiges an Energie. Die gute Nachricht ist, dass man eigentlich für jedes Thema einen Aufhänger finden kann, manchmal muss man nur um die Ecke denken.

Ein Beispiel: Ich wollte für meinen YouTube-Kanal ein Video über den Stromverbrauch des Internets machen. Ein extrem wichtiges Thema, doch Videos von anderen Kanälen haben gezeigt: Viele Leute schauen sich das Thema nicht an. Also haben wir überlegt, wie man die Menschen für das Thema begeistern könnte. Wir sind auf eine Serverfarm gestoßen, die die Abwärme des Internets nutzt, um Algen zu züchten, die man essen kann und die noch dazu CO2 aus der Luft nehmen. Ein Aufhänger war gefunden und mehrere hunderttausend Leute haben sich unser Video zu dem Thema angeschaut und dabei unbewusst etwas über den Stromverbrauch des Internets gelernt. Manchmal muss man also um die Ecke denken, um Menschen für ein Thema zu begeistern.

Das Zielpublikum: Wer sind meine Zuhörer:innen?

Aber um diesen passenden Aufhänger zu finden, muss ich noch etwas anderes beachten. Ich muss mein Publikum kennen. Das klingt auch sehr einleuchtend und dennoch ist es das, was ich so oft in Vorträgen, Videos und sogar E-Mails bemerke, dass dieser Punkt nicht mitbedacht wird. Es gibt zwei einfache Tricks, wie man sich seinem Zielpublikum nähert.

Zuerst die Erstellung einer Persona. Ganz zu Beginn von unserem YouTube-Kanal haben wir das gemacht. Wir haben ihr einen Namen gegeben und auf Basis von Kommentaren und Fragen an die Community versucht, darauf zu schließen, wer uns schaut. Am Ende hatten wir mehrere Personas. Eine Eigenschaft war zum Beispiel, dass wir uns überlegt haben, dass unsere Persona gerne Energy Drinks trinkt. Daraufhin haben wir ein Video dazu gemacht, wie gefährlich eigentlich Energy Drinks für die Gesundheit sind – es war damals eines unserer meistgeklickten Videos. 

Der zweite Punkt, der oft vergessen wird, ist, dass man auch daran denkt, welche Erwartungshaltung mein Publikum hat. In meinen Vorträgen gebe ich hier gerne ein Beispiel aus der Corona-Zeit. Ich war kurze Zeit hintereinander im Tigerenten Club (ARD) und bei 5 gegen Jauch (RTL). In beiden Shows hatte ich das gleiche Experiment mitgebracht. Es war eine Demonstration mit Wasser, Pfeffer und Seife, um zu zeigen, wieso wir uns die Hände waschen sollten. Und falls sich jetzt wer fragt ... ja, die Erklärtiefe war in beiden Shows gleich. Aber die Art und Weise, wie ich meine Inhalte erklären konnte, waren komplett unterschiedlich. Bei Jauch und Konsorten wurde ich gebeten, noch ein Experiment mit Feuer einzubauen, dem ich auch nachkam. Es passte zwar nicht zum Thema, aber bei einer Samstagabendshow muss es einfach etwas knallen. Im Tigerenten Club habe ich hingegen das Experiment gemacht und Schritt für Schritt erklärt, was hier passiert und was es mit dieser Krankheit zu tun hat, die gerade die Welt in Atem hält. Im ersten Moment klingt das vielleicht enttäuschend: Wieso kann ich Kindern “zumuten”, drei Minuten konzentriert zuzuhören und etwas zu lernen und für Erwachsene muss ich das durch Feuer-Experimente und Gags auflockern – doch das ist der falsche Ansatz. Hier geht es um die Erwartungshaltung. Wer Samstagabends um 20:15 Uhr den Fernseher nach einer harten Arbeitswoche einschaltet, der will entertaint werden. Will ich also die Chance haben, Wissen zu vermitteln, muss ich mir dieser Erwartungshaltung bewusst sein und schauen, wie ich damit umgehen kann. Nur dann habe ich die Chance, die Leute zu erreichen.

Also, machen Sie sich ein möglichst genaues Bild davon, wer Ihr Publikum ist, aber denken Sie auch daran, was das Publikum in diesem Moment erwartet.

Seriosität: Vertrauen schaffen

Gut, jetzt haben wir unser Publikum erreicht. Gerade in der heutigen Zeit ist der nächste Punkt essentiell, damit die Informationen auch angenommen werden. Dies war auch etwas, das Professor André Bresges und ich in unserer ersten gemeinsamen Studie hier an der Uni Köln herausgefunden haben: Die Leute brauchen Vertrauen. In unserer Studie mit über 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben wir die Leute Items ranken lassen, die mit Wissensvideos zusammenhängen. Auf Platz 1 war klar das Thema Seriosität und Vertrauen. Das wird die wenigsten verwundern. Aber wie schaffe ich Vertrauen? Auch das haben wir uns genauer angeschaut.

Das Ergebnis war ziemlich eindeutig. Die meisten Menschen wünschen sich transparente Quellen. In meinen Videos ist das einfach: Ich blende zu jeder Aussage im Video eine Quelle ein – ähnlich wie ich es auch in einem Paper mache. Die zweitbeliebteste Methode, um Vertrauen zu schaffen, war das Einbinden von Expertinnen und Experten oder auch einfach die Angabe der eigenen Expertise. Zeigen Sie also den Leuten, wieso sie Ihnen vertrauen können. Und natürlich hat man nicht immer die Möglichkeit, Quellenangaben zu machen, aber Sie können, zum Beispiel wie ich es mit der Studie gerade gemacht habe, trotzdem einfließen lassen, woher die Information stammt, die Sie gerade kommunizieren wollen.

All das schafft Vertrauen – ganz wichtig an der Stelle ist noch zu sagen, dass dies aber auf keinen Fall heißt, dass Informationen auch seriös sind, es geht also nur um das Gefühl von Vertrauen. Wie man eigentlich seriöse Informationen erkennt und mit der immer größeren Flut an Fehlinformationen gerade in Zeiten von KI umgeht, ist ein eigenes Thema, welches einen ganzen Artikel füllen würde.

Visualisierung: Zahlen zum Leben erwecken

Prima, die Leute hören uns nun zu, sie sind auch bereit, uns zu vertrauen. Jetzt ist noch wichtig, dass sie auch verstehen und behalten, was wir ihnen vermitteln wollen. Gerade wenn Informationen komplexer werden, ist dies oft schwierig. Eine besondere Herausforderung: Zahlen.

Wir Menschen sind echt schlecht mit Zahlen. Wir können sie uns oft nicht so gut merken und die meisten von uns sind schlecht darin, sie einzuordnen. In meiner Redaktion sage ich den Autorinnen und Autoren immer, wenn sie mir eine Leistung für ein neues Kraftwerk oder das Gewicht von einem Satelliten angeben, dass wir das Ganze ins Verhältnis setzen müssen. Sprechen wir also über ein Kraftwerk, ist die Frage, wie viele Haushalte können wir damit versorgen. Bei einer CO2-Einsparung kann wohl niemand etwas mit der Angabe Tonnen CO2 anfangen, aber man könnte es ins Verhältnis damit setzen, was wir pro Kopf in Deutschland ausstoßen. Das hat zwei Vorteile: Erstens kann man dann die Tragweite einer Information besser einordnen. Besonders bewusst ist mir das geworden, als wir eine Doku über die CO2-Speicherung für die ARD gedreht haben. Auf Island gibt es eine riesige Anlage, die CO2 aus der Luft zieht und im Boden speichert, wo das CO2 reagiert und zu Stein wird. Technisch eine wahnsinnig spannende Sache und langfristig durchaus auch relevant für uns – so sagt zum Beispiel der IPCC1, dass wir solche Technologien brauchen. Das Problem: Viele Berichte, die sich mit der Anlage beschäftigt haben, übernehmen die Angabe der Tonnen CO2, die diese Anlage im Jahr speichern kann. Wenn man das dann liest, denkt man vielleicht, dass es die Lösung aller Probleme sei. Es geht hierbei um 4.000 Tonnen CO2 im Jahr. Klingt viel, ist aber gerade mal der jährliche Pro-Kopf-Ausstoß von rund 350 Deutschen. Mit dieser Einordnung wird klarer, dass es eine Technologie im Forschungsstadium ist, die nie alle Probleme lösen wird. Dieses Bild der 350 Deutschen hat nun auch noch einen zweiten Vorteil. Wir haben ein Bild im Kopf. Darauf brachte mich die Gedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger. Sie hat mir erklärt, wie sie sich lange Zahlen oder ähnliche abstrakte Inhalte merken kann. Die Antwort: Es ist eine Kombination aus Bildern und Emotionen, die in einer Geschichte verknüpft sind. Unser Vergleich hat definitiv ein Bild, und die eher enttäuschende Menge CO2 beinhaltet auch direkt eine Emotion.

Ganz konkret also: Wann immer Sie abstrakte Informationen vermitteln müssen, versuchen Sie die Information für die Leute greifbar zu machen. Arbeiten Sie im Idealfall mit Bildern im Kopf des Publikums und versuchen Sie, eine Geschichte zu erzeugen. So bleiben Ihre Informationen länger im Kopf und die Menschen können auch wirklich etwas mit der Information anfangen.

Fragen:  Fehlvorstellungen aufdecken

Nun haben wir schon viele Punkte abgedeckt, ein Punkt bleibt aber noch offen. Er ist so etwas wie die Königsdisziplin. Es geht darum, wie man falsche Vorstellungen im Kopf des Gegenübers auflösen kann. Auch etwas, das in der heutigen Zeit wichtiger ist denn je. Diese Regel basiert auf der Studie eines anderen Science-YouTubers aus Amerika, der ebenfalls seine Doktorarbeit über Lernen und Wissensvermittlung mit Medien geschrieben hat. Zugegeben, er ist ein bisschen erfolgreicher als ich auf YouTube: Derek Muller, auch als Veritasium bekannt, ist der größte Science-YouTuber der Welt. In seiner Doktorarbeit hat er damals herausgefunden, dass viele Leute in Tests die gleichen Fehler wieder machen, selbst wenn sie in der Zwischenzeit ein Video mit der richtigen Erklärung gesehen haben. War das Video, was sie in der Zwischenzeit geschaut haben, aber nicht einfach nur eine richtige Erklärung, sondern ein Dialog, in welchem durch Fragen falsche Vorstellungen aufgedeckt wurden, war das Ergebnis viel besser. Fragen sind also der Schlüssel, um Fehlvorstellungen aufzulösen. Fast noch spannender ist aber der zweite Teil seiner Forschung. Er hat nämlich auch Interviews geführt, in welchen er die Leute hat einschätzen lassen, wie sie im zweiten Test abgeschnitten haben. Das Ergebnis: Während die Leute, wenn sie einfach nur die richtige Erklärung bekommen haben, happy waren und dachten, sie hätten es verstanden, haben viele Leute nach dem Video mit dem Dialog angegeben, dass sie verwirrt seien und einige waren richtig unzufrieden. Das macht auch Sinn, schließlich wurde gerade ihr Weltbild erschüttert. Doch das ist nun mal nötig, um etwas Neues zu lernen und falsche Vorstellungen abzulegen. Deshalb ist das Letzte, was ich Ihnen mitgeben möchte: Lernen kostet Energie … und das ist in Ordnung.

Ich hoffe, dass Ihnen diese fünf Regeln dabei helfen, Ihr Wissen und Ihre Informationen noch besser zu vermitteln. Denn wie gesagt: Die Vermittlung von Wissen ist in unserer heutigen Zeit essentiell.

Zur Person

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Foto: Tim Heise

MathNat-Alumnus Dr. Jacob Beautemps (*1993) hat im Anschluss an seinen Master of Education in Physik und Sozialwissenschaften im Jahr 2024 am Institut für Physikdidaktik zu der Frage promoviert, wie Schüler:innen mit YouTube-Videos lernen.  Seit 2018 hat er es sich als Wissensvermittler und Science-Youtuber zur Aufgabe gemacht, Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern. Sein YouTube-Kanal Breaking Lab knackte im Jahr 2022 die Marke von 500.000 Abonnent:innen. Er ist Träger der „Medaille für naturwissenschaftliche Publizistik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft“ und hat kürzlich sein erstes Buch veröffentlicht, in dem er sich mit der Frage beschäftigt, was innovative Menschen ausmacht.