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Wie die Kölner Infektiologie neuen Erregern die Stirn bietet

Von SARS-CoV-2 bis zu Tropen-Krankheiten

Prof. Dr. Clara Lehmann und ihr Team bauen im Bereich der Infektiologie u.a. neue Strukturen für die Versorgung von Post-COVID-Patient:innen an der Universitätsklinik Köln auf. Was genau machen Infektiolog:innen eigentlich – und welche neuen Entwicklungen gibt
es in der Infektiologie in Köln?

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat der Welt ein neues Virus, mit „Long- bzw. Post-COVID“ eine bisher unbekannte Krankheit und neue notwendige Therapieformen beschert. Sie hat aber auch erneut gezeigt, dass (Virus-)Infektionen trotz beeindruckender Fortschritte noch heute eine große Herausforderung für die Medizin darstellen. In der klinischen Praxis treten regelmäßig solche neuen oder veränderten Krankheitserreger auf. Und nicht zuletzt die zunehmenden Resistenzentwicklungen gegen Antibiotika erfordern das Fachwissen und die Expertise von Infektiolog:innen.

Klimatische, demographische und globale Veränderungen ermöglichen die Entstehung sowie zügige Verbreitung neuer ­Infektionen. Ein Beispiel hierfür ist die SARS-CoV-2-Pandemie, die jedoch nur einen Aspekt dieses Trends darstellt, wie etwa die verstärkte Präsenz von „Tropen-Krankheiten“ in Europa verdeutlicht. Infektiolog:innen stehen hier an vorderster Front und stets vor komplexen Aufgaben: Die grundlagenorientierte, klinische und epidemiologische Forschungsarbeit der Infektiologie ist ein besonders spannendes Betätigungsfeld für medizinische Detektiv:innen und passionierte Tüftler:innen. Die Erforschung neuer Therapieansätze sowie die Versorgung der Folgen solcher Infektionen erfordern eine umgehende Reaktion. Aufgrund der oft komplexen Natur der Krankheiten zählen in der klinischen Praxis nicht nur die Auswertung verschiedener Blutergebnisse, die Beurteilung von Wunden sowie die Analyse mikrobiologischer und virologischer Befunde zu den täglichen Aufgaben der Infektiolog:innen. Ebenso wichtig ist eine gezielte körperliche Untersuchung der Patient:innen und die umfassende klinische Bewertung aller relevanten Aspekte. Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht es, selbst die kniffligsten Rätsel bei einer Behandlung erfolgreich zu lösen.

Ein solches Rätsel stellt ganz aktuell auch das Post-COVID-­Syndrom (PCS) dar. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurden nicht nur ethische und pragmatische Aspekte erörtert, es traten auch neue post-infektiöse Erscheinungen wie das PCS zutage, die viele Patient:innen schwer belasten. Das PCS als neue ­Entität eröffnete den Infektiolog:innen die Möglichkeit, einen Weg zur Erforschung von post-viralen Syndromen zu beschreiten, deren Diagnostik, Therapie und Definition zunächst vollkommen unklar waren. Die Pathogenese, also Entstehung des PCS ist vielschichtig und nach wie vor nicht vollständig verstanden. Daher existiert bislang keine gezielte kausale Therapie. Die aktuelle Herangehensweise konzentriert sich auf eine symptom­orientierte Behandlung.

Um den betroffenen PCS-Patient:innen zu helfen, wurden in der infektiologischen Ambulanz der Uniklinik Köln neue Strukturen geschaffen, eine spezielle Sprechstunde zur Versorgung eingeführt und eine interdisziplinäre Vernetzung in der Uniklinik Köln ­etabliert. Zusätzlich werden die Forschungsbemühungen im Bereich der Genese, Ausbreitung, Diagnostik und Therapie intensiviert. Auch verschiedene multizentrische Studien wurden nach Köln gebracht, einige unterstützt durch finanzielle Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. ­Kontinuierlich tauschen sich die Kölner Infektiolog:innen zudem in nationalen und internationalen Kooperationen mit ­Kolleg:innen zu neuen Ansätzen und Erfahrungen zu Post-­COVID aus. Durch diese Zusammenarbeit wurden bereits einige spannende Erkenntnisse zur Immunantwort betroffener Patient:innen publiziert.

Neben der Erforschung und Behandlung neuer Erkrankungen steht bei den Infektiolog:innen der Uniklinik Köln die kontinuierliche Verbesserung lang bekannter Infektionen im Fokus. So stellt z.B. die Tuberkulose weiterhin eine erhebliche Herausforderung dar. Die Covid-19-Pandemie hatte verheerende Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der globalen Gesundheit, wobei insbesondere die Tuberkuloseversorgung unverhältnismäßig stark beeinträchtigt wurde: Gemäß dem Globalen Tuberkulosebericht 2021 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Tuberkulosemortalität erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt wieder angestiegen.

Auch mit dem HI-Virus infizierte Menschen sind auf eine ständige Behandlung angewiesen, um den Ausbruch von AIDS zu verhindern. Seit den 1990er Jahren hat sich die Versorgung dieser Patient:innen erheblich verbessert. In der Vergangenheit waren sie aufgrund der durch das HIV bedingten Immunschwäche häufig schweren Infektionen ausgesetzt, die auch zum Tod führen konnten. Heute ermöglicht eine kombinierte medikamentöse Therapie oft eine ähnliche Lebenserwartung wie bei nicht-infizierten Menschen. In der Uniklinik Köln wurde dafür eine innovative Behandlungsmethode eingeführt: HIV-Patient:innen erhalten alle zwei Monate eine Injektion, wodurch die tägliche Einnahme von Tabletten vermieden werden kann. Neben der medizinischen Betreuung wird in Köln auch eine psychosoziale Beratung angeboten.

In Anbetracht neuer Erkrankungen und Innovationen bei bereits bekannten Krankheitsbildern wird deutlich, dass die Infektiologie gegenwärtig so relevant und faszinierend ist wie nie zuvor. Der stetige Fortschritt und die fortwährende Forschung versprechen nicht nur eine tiefere Einsicht in die Dynamik von Infektionskrankheiten, sondern auch vielversprechende Ansätze für ihre Prävention und Behandlung. Eine große Hoffnung für eine Vielzahl an Patient:innen in Köln und der ganzen Welt.

Ein Bericht von Prof. Dr. Clara Lehmann & Dr. Elisabeth Pracht

Die Infektiologie verbindet viele verschiedene medizinische Disziplinen und ärztliche Fertigkeiten zu einem spannenden Querschnittsbereich. Das Spektrum reicht von ambulanten Routinekontrollen bis hin zu schwer kranken Patient:innen mit „Blutvergiftung“. Mehrere Studien belegen, dass Patient:innen, die durch Infektiolog:innen betreut werden, häufiger eine adäquate Therapie erhalten, kürzer mit antiinfektiven Substanzen behandelt werden und bei potentiell lebensbedrohlichen Infektionen eine verringerte Sterblichkeit zeigen. In Deutschland stellt die Infektiologie einen vergleichsweise jungen Querschnittsbereich in der Humanmedizin dar, der 1973 mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e.V. etabliert wurde.