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Foto: Rheinisches Bildarchiv
Mathilde von Mevissen und die Gründung der Universität zu Köln

Am Anfang stand eine Frau

von Judith Arnau

Manchmal sind Anfänge auch das Ergebnis eines glücklichen Zufalls. Als Mathilde von Mevissen 1848 in eine bürgerliche, wohlhabende Kölner Familie geboren wurde, erhielt sie als Frau im 19. Jahrhundert nur sehr begrenzte Bildungsmöglichkeiten.1 Ihr Vater verwehrte ihr die Nutzung der umfangreichen Hausbibliothek. Ihre Lektüre, ihre Post und ihr persönlicher Umgang wurden streng kontrolliert. In den 1890er Jahren bekommt sie zufällig ein Buch der Frauenbewegung in die Hände – es sollte der Grundstein für ihr lebenslanges Engagement für den uneingeschränkten Zugang von Frauen zu Bildung werden.2 Dem von ihr initiierten „Kölner Frauenfortbildungsverein“ gelang trotz großer Widerstände 1903 die Gründung des ersten Kölner Mädchengymnasiums, das gleichzeitig auch das erste in ganz Preußen war. Nach diesem Erfolg widmete sich der Verein dem Einsatz für den Zugang von Frauen in die Universitäten.

Dass sich Jenny Gusyk im ersten Jahr der neuen Universität zu Köln 1919 als erste Studentin einschreiben konnte, geht auf den Einsatz von Wegbereiter:innen wie Mathilde von Mevissen zurück.4 Der Startschuss des Frauenstudiums (in Preußen hatten Frauen seit 1908 die allgemeine Erlaubnis zu studieren) wurde jedoch keineswegs ausschließlich begeistert aufgenommen. Eine Flut an frauenfeindlichen medizinischen, pädagogischen und psychologischen Schriften, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gegen das Recht von Frauen auf Bildung antraten, zeugen von massiven Abwehrreaktionen. Auch die ersten Kölner Studentinnen hatten bei ihrem Start mit Ablehnung durch Kommilitonen und Dozenten zu kämpfen – aber auch mit ganz alltäglichen Hindernissen: Der Zutritt zur Hauptmensa war für sie zunächst verboten, es gab keine Arbeitsräume in ihren Tagesheimen und es fehlten Stipendien. Auch hier setzte sich Mathilde von Mevissen ein, indem sie die ersten Studentinnen an der Universität zu Köln nicht nur finanziell, sondern auch durch persönliche Begleitung unterstützte.5 

Die Universität zu Köln (UzK) hat ­Mathilde von Mevissen nicht nur wegen ihres Einsatzes für Frauen an der Institution zu danken, sondern auch für ihre tragende Rolle bei der Gründung der neuen Universität: Mevissen war treibende Kraft (im Anschluss an die Bemühungen ihres Vaters Gustav von Mevissen, der 1899 starb) bei der Gründung der Handelshochschule in Köln 1901, die als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät bedeutender Teil der jungen Universität wurde.6 In den Anfängen der Universität zu Köln stiftete Mevissen erhebliche Mittel und lobte einen Preis für besondere Leistungen für Studierende aus.7 Für dieses Engagement wurde Mathilde von Mevissen 1923 (noch vor der formalen Einführung dieses Titels) als Ehrenbürgerin der Universität zu Köln gewürdigt und bereits ab 1920 wurde die jährliche Gründungsfeier als „Mevissenfeier“ begangen.8 

Im Laufe der Zeit ist Mathilde von Mevissen aus dem Gedächtnis der Universität zu Köln verschwunden. Das wiederum ist kein Zufall, denn Frauen bleiben in der Geschichtsschreibung nach wie vor häufig unerwähnt und ihre Leistungen sind oft unsichtbar. Mathilde von Mevissen führt uns auf diese Weise beides vor Augen: Wie viel schon für die Gleichstellung der Geschlechter erreicht wurde, aber auch, dass es weiterhin Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit braucht.

Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist inzwischen gesetzlich festgeschrieben und das Streben nach Gleichstellung der Geschlechter in den Strukturen der Universität institutionalisiert. Das Engagement von Frauen wie Mathilde von Mevissen und vielen weiteren, die ihr folgten, trägt heute Früchte: Studentinnen sind inzwischen in der Mehrzahl, rund 50% der Promovierenden an der UzK sind weiblich und etwa ein Drittel der Professuren sind mit Frauen besetzt. Gleichzeitig sinkt der Frauenanteil in Wissenschaft und Verwaltung immer noch mit steigender Karrierestufe, es gibt eine massive Gender Pay Gap und Frauen sind häufiger als Männer von geschlechtsbezogener Gewalt betroffen. Viele Frauen haben zudem mit Rassismus, Ableismus, Transfeindlichkeit, Homophobie, Klassismus und anderen Diskriminierungen zu kämpfen.

Solange also keine echte Chancengerechtigkeit erreicht ist, bleibt im Sinne ­Mathilde von Mevissens noch einiges zu tun.

Judith Arnau, zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der zentralen Gleichstellungsbeauftragten:

>> https://gb.uni-koeln.de/

Umfassende Informationen zu Maßnahmen, Strukturen und Einrichtungen für mehr Chancengerechtigkeit an der UzK sowie Beratungsstellen im Fall von Diskriminierung finden Sie hier:

>> https://vielfalt.uni-koeln.de/